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Spiel des Jahres in Wien: BC Vienna empfängt Crvena Zvezda

Die neue Sport Arena Wien erlebt am kommenden Sonntag (23. November, 18.00 Uhr) das größte Basketballereignis seit ihrer Eröffnung. BC Vienna trifft auf KK Crvena Zvezda, eines der prägendsten Teams der ABA League und ein regelmäßiger Teilnehmer der EuroLeague.

Für die noch junge Arena ist dieses Duell ein weiterer Meilenstein, der zeigt, welche Dimensionen der Spitzenbasketball in Wien inzwischen erreichen kann. Die Partie des 8. Spieltags der ABA League ist seit Wochen ausverkauft, ein deutliches Signal dafür, welche Strahlkraft dieses Spiel weit über die Stadtgrenzen hinaus entwickelt.

Dass die Basketballabteilung von Crvena Zvezda nach 26 Jahren wieder in Wien aufspielt, verleiht dem Duell zusätzlichen historischen Charakter. Am 20. Oktober 1999 musste der Klub vom kleinen Kalemegdan aufgrund der politischen Sanktionen gegen das damalige Jugoslawien sein Europacup-Heimspiel gegen den BC Barcelona ins damalige Ferry-Dusika-Stadion verlegen. 6.000 Fans füllten die Halle und machten die Begegnung zu einem der markantesten Basketballabende der Stadt.

Seit ihrer Gründung wird die ABA League von nur wenigen Klubs geprägt, allen voran den beiden Belgrader Schwergewichten KK Crvena Zvezda und KK Partizan. Über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg haben diese Vereine das sportliche Niveau, die internationale Wahrnehmung und die Titelvergabe des regionalen Wettbewerbs bestimmt.

Mit Ausnahme einzelner Meistertitel von KK FMP (2x), KK Cibona, KK Budućnost Podgorica, Maccabi Tel Aviv, KK Zadar, Union Olimpija Ljubljana (heute KK Cedevita Olimpija) und KK Hemofarm (heute KK Vršac) gingen sämtliche Titel der Adriatic Basketball Association (ABA) seit ihrer Einführung im Jahr 2001 an die beiden Belgrader Klubs. Partizan ist mit acht Meisterschaften der Rekordsieger des Wettbewerbs.

Zvezda gilt dabei wie Partizan als Sinnbild für physische Spielweise, Kontinuität und eine europäische Identität, die über Jahre hinweg regelmäßig zur Teilnahme an der EuroLeague geführt hat. Doch der Weg zu dieser Stabilität verlief nicht in allen Phasen geradlinig – und eine strukturelle Entscheidung aus dem Jahr 2011 wirkt bis heute nach.

Zusammenlegung mit FMP

Crvena Zvezda befand sich Anfang der 2010er Jahre in einer tiefen finanziellen Krise und stand faktisch vor der Zahlungsunfähigkeit. Der Klub hatte zu diesem Zeitpunkt Schulden im Millionenbereich, die den Fortbestand kaum noch realisierbar machten.

Unter Nebojša Čović, einem der umstrittensten Sportfunktionäre des Landes und früheren Politiker sowie Bürgermeister Belgrads, begann eine Phase tiefgreifender struktureller Eingriffe. Čović agierte damals als Klubpräsident, hatte zuvor über Jahre maßgeblichen Einfluss auf FMP ausgeübt und ist heute Präsident des serbischen Basketballverbands (KSS). 2011 wurde unter seiner Führung eine ungewöhnliche und bis heute kontrovers diskutierte Strukturmaßnahme umgesetzt.

Die sportliche Infrastruktur von FMP, einschließlich der ABA-Startberechtigung, ging in den laufenden Betrieb von Crvena Zvezda über, während der ursprüngliche FMP formell umfirmiert wurde. Eine Maßnahme dieser Art war in der ABA League außergewöhnlich und wurde damals als pragmatische, aber keineswegs gewöhnliche Lösung verstanden, um den Fortbestand des Klubs im regionalen Wettbewerb zu sichern.

Unterstützt durch politischen Rückhalt und eine Reihe administrativer Schritte wurde der Klub innerhalb kurzer Zeit nahezu vollständig entschuldet. Ein Prozess, der in seiner Geschwindigkeit und Konsequenz stark von der üblichen Sanierungspraxis im Profisport abwich. Diese Konstruktion gilt rückblickend als entscheidender Schritt, der Zvezdas Fortbestehen in der ABA League und die spätere Rückkehr in die EuroLeague überhaupt erst möglich gemacht hat.

Neuer Roster und Coaching-Wechsel

Angekommen in der Gegenwart und der enttäuschenden Saison 2024/25, blieb der serbische erfolgsverwöhnte Traditionsverein, abgesehen vom Cup-Titel, ohne weiteren Erfolg. Der neue Präsident Željko Drčelić leitete daraufhin einen umfassenden personellen Neustart ein. Auch Milan Tomić kehrte in den Klub zurück und übernahm als General Manager die Verantwortung für die Neuausrichtung des Rosters.

Der Kader wurde beinahe vollständig ausgetauscht. Branko Lazić, langjähriger Kapitän und prägende Figur, verließ den Klub ebenso wie die Identifikationsspieler Nemanja Nedović und Luka Mitrović, deren Verträge nicht verlängert wurden. In Serbien wurde der Abgang insbesondere von Lazić und Nedović intensiv diskutiert, da beide Spieler in gesellschaftlichen und politischen Fragen öffentlich Position bezogen hatten, ein Umstand, der vor dem Hintergrund der Drčelić zugeschriebenen politischen Nähe zur viel kritisierten Regierung zusätzliche Dynamik erhielt.

An ihre Stelle kamen zahlreiche neue Spieler wie Semi Ojeleye (Valencia), Stefan Miljenović (Mega), Tyson Carter (Unicaja), Jordan Nwora (Anadolu Efes), Ebuka Izundu (Galatasaray), Chima Moneke (Baskonia), Jasiel Rivero (Maccabi Tel Aviv), Ognjen Radosić (Igokea), Uroš Plavšić (Leihende/Beşiktaş) und Devonte Graham (South Bay Lakers) sowie die Perspektivspieler Lazar Stojković (BKK Radnički) und Aleksej Nedeljković (eigener Nachwuchs).

Trotz dieser prominenten Neuzugänge verlief der Beginn der Saison 2025/26 zunächst enttäuschend. Unter Coach Ioannis Sfairopoulos, der bereits in der Vorsaison zunehmend in der Kritik stand, setzte sich der negative Trend fort. Nach zwei Niederlagen zum EuroLeague-Auftakt und einer überraschenden Pleite gegen Zadar am ersten Spieltag der ABA League zog der Klub die Reißleine und beendete die Zusammenarbeit mit dem Griechen.

Beeindruckende Serie in der EuroLeague

Im Oktober übernahm erneut Saša Obradović das Traineramt. Er war in der vergangenen Saison bei Monaco entlassen und durch die EuroLeague-Legende Vasilis Spanoulis ersetzt worden. Mit seiner Rückkehr stand Obradović nach 2020 zum zweiten Mal in seiner Trainerlaufbahn beim Klub seines Herzens an der Seitenlinie, jenem Verein, für den er Mitte der 1990er Jahre bereits als Spieler aktiv war.

Trotz der angespannten Personalsituation, darunter der langfristige Ausfall von Center Joel Bolomboy sowie mehrere weitere verletzungsbedingte Ausfälle, stabilisierte Obradović die Mannschaft sofort und führte sie dank einer deutlich verbesserten Defensive zu einem bemerkenswerten 7:0-Run in der EuroLeague. 

Doch der Backcourt war personell ausgedünnt. Isaiah Canaan zog sich einen Kreuzbandriss zu, bei Tyson Carter wurde eine Lungenembolie diagnostiziert, Devonte Graham erlitt eine Knochenblutung. Der Klub holte daraufhin notgedrungen Yago dos Santos aus Brasilien zurück. Skurril: Dem Aufbauspieler war vor Saisonbeginn mitgeteilt worden, dass für ihn kein Platz mehr im Kader vorgesehen sei. Zvezda hatte über den Sommer versucht, den ehemaligen Ulmer von der Gehaltsliste zu bekommen, fand jedoch keinen Abnehmer.

Dos Santos sollte ab sofort Codi Miller-McIntyre in der Guard-Rotation entlasten. Zusätzlich wurde Jared Butler verpflichtet, der zuletzt bei den Philadelphia 76ers unter Vertrag stand. Auf der Center-Position wurde die Lücke durch den erfahrenen Donatas Motiejūnas geschlossen, der von Monaco kam.

Eine zentrale Rolle im System von Obradović spielt Moneke, dessen Athletik, Defensivstärke und Offensivrebounding der Rotation sofort Stabilität verliehen haben. Seine Vielseitigkeit kompensiert die Ausfälle im Frontcourt und verleiht Zvezda jene Dynamik, die der Mannschaft zuvor gefehlt hatte.

Zusätzlich übernimmt Nikola Kalinić eine Schlüsselrolle, da er nicht nur auf dem Court Verantwortung trägt, sondern auch in der Kabine als führende Persönlichkeit wirkt. Auch Ognjen Dobrić ist unter Obradović wieder fester Bestandteil der Rotation, nachdem seine Rolle unter Sfairopoulos über weite Strecken undefiniert geblieben war.

Rückenwind für BC und Cedevita als Beispiel

Mit zwei Siegen in der Basketball Superliga (BSL) im Double-Header gegen Traiskirchen (105:96) und St. Pölten (91:97) hat die Mannschaft von Coach Mike Coffin ihre Aufgabe am Wochenende souverän erledigt und zugleich mit großem Interesse auf das gestrige ABA-Spiel zwischen Cedevita und Crvena Zvezda geblickt.

Die Slowenen entschieden die Partie in der Arena Stožice knapp mit 87:86 für sich. Der vermeintliche Dreier von Miller-McIntyre wurde nach Videoüberprüfung als Zweipunktewurf gewertet, womit die Overtime hinfällig war.

Doch die Szene sorgt in Serbien derzeit für kontroverse Diskussionen, da TV-Aufnahmen nahelegen, dass Miller-McIntyre die Dreierlinie möglicherweise nicht berührt hat. Dass der bulgarische Nationalspieler in der Aktion zuvor einen Schrittfehler begangen hat, der von den Schiedsrichtern unbemerkt blieb, geht in der Debatte komplett unter. Zvezda reichte unmittelbar nach dem Schlusspfiff Protest bei der Liga ein.

All or Nothing

So beeindruckend die Faktenlage auf Seiten des Gegners auch wirkt, für die Wiener ändert sich daran nichts. BC Vienna geht in diese Partie ohne Druck und ohne Verpflichtung, sich vom Namen des Gegners beeindrucken zu lassen. Aus den letzten beiden ABA-Niederlagen will man gelernt haben.

Gleichzeitig ist dem Team bewusst, dass sich Momentum gegen einen Gegner dieser Qualität nur auf dem Parkett und nicht durch externe Ergebnisse entwickelt. Die ABA League hat in den vergangenen Jahren mehrfach gezeigt, dass klare Favoriten dennoch stolpern können, aber diese Chance muss man sich erarbeiten.

Für BC Vienna bedeutet das, dass die eigene Leistung im Mittelpunkt steht. Gegen einen EuroLeague-Teilnehmer ist maximale Konzentration Grundvoraussetzung für einen konkurrenzfähigen Auftritt, die auch schon weit vor dem Duell beginnt.

Gregor Glas, im Oktober zum wertvollsten Spieler der ABA League ausgezeichnet, brachte es auf den Punkt: „Die Herausforderung ist groß, der Respekt ebenso, aber auf eigenem Parkett ist das Team bereit, alles auszuschöpfen, was an diesem Abend möglich ist.“

Zugleich bietet dieses Spiel eine seltene Gelegenheit, sich vor ausverkauftem Haus mit einem europäischen Top-Team zu messen. Bis auf Borislav Mladenov (Topscorer in beiden Spielen) und Rašid Mahalbašić wurde ein Großteil des ABA-Kaders für das Duell am Sonntag geschont.

Souley Boum und Sammy Hunter nutzten den vergangenen spielfreien Samstag, um sich in der neuen Sport Arena Wien umzusehen und waren beim Sensationssieg der österreichischen Damen-Nationalmannschaft gegen Großbritannien vor Ort.

Auch Statistik spricht für die Serben

Zvezda kommt nach den ersten sechs ABA-Spielen mit im Schnitt 89,2 Punkten, 46,4 Prozent aus dem Feld und klaren Vorteilen im Bereich Assists (21 pro Spiel) sowie Offensivrebounds (9,7) in die Bundeshauptstadt. Vienna liegt mit 74 Punkten im Schnitt und einer Feldwurfquote von 42,8 Prozent darunter, hält jedoch beim Rebounding insgesamt gut dagegen und sammelt in mehreren Partien sogar mehr Defensivrebounds als der Gegner. Beide Teams spielen klar unterschiedliche Volumen, aber die grundlegenden statistischen Tendenzen sind eindeutig.

Die Serben erzielen deutlich mehr Abschlüsse in Korbnähe (21 erfolgreiche Zweipunktewürfe pro Spiel, Vienna 18,2), treffen von außen stabiler (8,8 Dreier pro Spiel zu 7,2), und sind an der Freiwurflinie hocheffizient (83,2 Prozent, Vienna 72,8 Prozent). Vienna hingegen verteilt seine Minuten breiter, hat weniger Fehler im Passspiel (17 Turnover vs. 21 bei Zvezda) und erzeugt defensiv mehr Ballgewinne pro Partie. Die größten Lücken liegen bei den Assists (Zvezda 21, Vienna 16) und der Gesamtpunkteproduktion.

Zvezda agiert im Backcourt mit einer klaren Rollenverteilung: Miller-McIntyre trägt als primärer Lead Guard die Struktur, Butler ergänzt ihn als sekundärer Creator und dos Santos bringt Tempo und Dynamik von der Bank. Vienna setzt im Gegenzug auf Thomas Cotton, der die Entscheidungsqualität im Halbfeld bestimmt, und Souley Boum, der als Scoring-Guard zusätzliche Entlastung schafft.

Matchups in Zone und am Flügel

In der Zone richtet sich der Blick insbesondere auf das Duell zwischen Rašid Mahalbašić und Uroš Plavšić, der in den jüngsten Partien die meisten Center-Minuten für Zvezda gesammelt hat. Motiejūnas ergänzt als erfahrener Offensiv-Big und bietet den Belgradern eine alternative Option gegen Wiens spielintelligenten Center. Mahalbašić bleibt für Vienna als Dreh- und Angelpunkt im Post ein zentraler Faktor.

Auf den Flügelpositionen trifft Wiens Topscorer Gregor Glas auf eine der physisch stärksten und defensiv stabilsten Rotationen der ABA League. Mit Nikola Kalinić und Semi Ojeleye stellt Zvezda zwei europäische Hochkaräter, die nahezu jede Offensivaktion am Perimeter physisch und taktisch unter Druck setzen können.

Da Glas bislang den Großteil der Wiener Außenproduktion trägt, wird es für BC Vienna entscheidend sein, ihn in strukturierte Abschlusssituationen zu bringen und ihn nicht permanent gegen Switches und Isolationen laufen zu lassen. Sollte Moneke einsatzbereit sein, würde Zvezda zusätzlich Athletik und Länge auf den Forward-Positionen erhalten, was die Matchups weiter verdichten würde. Der Einsatz von Nwora ist ebenso fraglich.